Kunstzug Dresden Breslau Spiegelstationen Svea Duwe

Spiegelstationen

Kunst im öffentlichen Raum

„Kunstzug“ zwischen Dresden und Breslau Oktober 2016

Dresden, 16.Oktober 2016

Die Bahnstrecke Dresden – Breslau ist wiedereröffnet. Von April bis November 2016 fährt ein „Kunstzug“. Verschiedene Künstler beteiligten sich mit Performanceprojekten, unter anderen Svea Duwe mit „Spiegelstationen“.

Samstagvormittag, 15.10.2016, Dresden Hauptbahnhof. Dichtes Gedränge herrscht in der Dresdner Bahnhofshalle. Das Gebilde einer Spiegelwand ist ein Ruhepol. Eine Gruppe von acht Menschen hat sich mit dem Rücken zueinander in einen engen Kreis gestellt.

Sieben von Ihnen halten vor sich einen portablen mannshohen Spiegel der Umgebung entgegen. Die achte hält eine Fahnenstange. Das Ende der hellbau-roten Fahne wird zu einer Art Sturmmaske. Durch die Augenschlitze schaut die Fahnenträgerin konzentriert in die Menge.
Reisende, Fußballfans und Passanten

Die Menschen bahnen sich ihren Weg. Viele in Gruppen: Heute ist Fußball. Einige sehen irritiert auf ihre Spiegelungen und die Formation der Spiegel. Ein Fußballfan bleibt stehen und checkt seine Frisur im Spiegelbild. Lachend zieht er mit seinen Kumpels weiter.

Ein anderer Mann lächelt und macht ein Daumen-hoch-Zeichen. „Was ist das denn?“ fragt eine vorbeigehende Frau. Eine Antwort bekommt sie nicht, da die Performer hinter den Spiegeln verharren. Die Fahnenträgerin schweigt.

Verspiegelt / Gespiegelt

Ein paar Meter weiter steht Svea Duwe, die sicherlich zu eine Antwort bereit gewesen wäre. Sie ist die Künstlerin, die das Konzept für die Performance gemacht hat. Die Aktion heute ist nur ein Teil des Performanceprojektes „Spiegelstationen“.

Svea Duwe diskutiert mit einem Polizeibeamten. Er und seine Kollegen stehen angespannt und aufmerksam unweit der Spiegel. Sie sind in Vollmontur. Fußballspieltage machen den Bahnhof zu einem Ort der Spannungen.

Endlich ist alles geklärt. Genehmigung und Ankündigungsschreiben der Stadt Dresden und des Bahnunternehmens Trillex wurde telefonisch überprüft.

Kunstzug Dresden-Breslau

Nun kann sich die Spiegelformation auflösen. Die Performer gehen mit ihren Spiegeln einseitig angeordnet auf den Bahnsteig. Hier löst sich die wandernde Spiegelwand auf. Zu zweit oder zu dritt stehen die Spiegelträger beisammen.

Der Zug nach Breslau fährt ein. Die vereinzelten Spiegel kommen in Bewegung. Im Eingangsbereich des Zuges formieren sich einige von ihnen zu einem offenen Prisma. Sie spiegeln die einsteigenden Reisenden. Andere nehmen Platz und spiegeln die Blicke der Sitzenden quer durch den Wagon. Unerwartete Blickachsen ergeben sich. Blicke treffen sich. Einige Leute lächeln.

Neugierde, Kritik, Zustimmung

Svea Duwe spricht mit dem Schaffner. Wiedererwartend ist er nicht gut informiert, obwohl ein großes Banner den Zug als „Kunstzug“ ausweist.
Ein paar Stationen später formiert sich die Performancegruppe wieder zum Ganzen. Eine sich faltende Spiegelwand bewegt sich durch die Sitzreihen. Die Fahnenträgerin geht vorne weg.

Eine ältere Dame schaut interessiert auf und unterhält sich anschließend angeregt mit einer Mitreisenden. Andere schauen stur geradeaus. Einige können der Verführung des neuen Blickwinkels nicht widerstehen. Einige lächeln. „Klasse“, sagt ein Mann „den Spiegel vorgehalten!“ Ein anderer zückt sein Smartphone und fotografiert.

Reisende

Ein paar Frauen beschweren sich bei Svea Duwe. Es sei zu eng, um so etwas zu machen. Man bekäme ja Platzangst. Und überhaupt – was solle das alles? Und dies ausgerechnet, wo es doch so voll sei.

Als die Performer in einer anderen Formation durch den Zug gehen, schaut die ältere Dame wieder sehr interessiert: „Darf ich fragen, was es hiermit auf sich hat?“ Eine der Spiegelträgerinnen bleibt stehen: „Das ist ein Kunstprojekt.“ „Wissen Sie – es ist sehr anrührend. Ich fahre diese Strecke das erste Mal seit langer Zeit… und ihre Sache hier öffnet so offensichtlich das, was gerade bewegt…So als Reisende. Als Mensch.“ Die alte Dame stockt. „Nein. Ich finde das gut.“

Bahnhofsvorplatz Breslau

In Breslau angekommen sammeln sich die Performer wieder zu einer runden Spiegelformation. Passanten gehen neugierig vorbei. Machen Fotos. Gespräche werden gesucht. Und nun geht es auf Englisch zwischen Performern und interessierten Zuschauern weiter.

Einige Zuschauer sind eher unangenehm. Es handelt sich hierbei um zwei Sicherheitskräfte. Sie gehören nicht zur Polizei. Aber sie haben in ihren Warnwesten, Monturen und am Gürtel baumelnden Schlagstock eindeutige Aufgaben.

Mehr als herablassendes Lachen haben sie für die Formation nicht übrig. Sie lassen in Gebärden keinen Zweifel darüber, wer der Chef ist. Dass das Kunstprojekt auch zum kulturellem Leben in der Kulturhauptstadt beiträgt interessiert die beiden offensichtlich wenig.

Raum für Kunst – Spiegel der Öffentlichkeit

Wieder erklärt und verteidigt Svea Duwe. Schließlich begibt sich die Gruppe in Spiegelwandformation. Passanten spiegeln sich. Schauen interessiert, machen Fotos. Flattern vorneweg die maskierte Fahnenträgerin bewegen sie sich langsam in Richtung Stadtmitte.